ms - april 2021

Das Gift in den Bordeaux-Weinen

Eine Frau bekommt die Macht der Weinlobby zu spüren

Bereits 2016 hatte das berühmte Weinanbaugebiet Bordeaux jede Menge negative Presse, als ein Weingroßhändler und ein Château-Besitzer des Betrugs überführt worden waren. Der Château-Besitzer kaufte billigen Wein aus einer Überproduktion aus unbekannten Lagen in Bordeaux und vermischte ihn mit seinem renomierten Tropfen. Und wurde erwischt. Dumm gelaufen.

1999 und 2002 gab es Ärger mit einem belgischen Weinhändler, der gepanschten Bordeaux in Nordeuropa und den Benelux-Ländern verkauft hatte. Aber das ist jetzt wirklich schon lange her. Konzentrieren wir uns also auf die Gegenwart.

Eine Frau machte Mitte 2020 darauf aufmerksam, dass die Winzer aus dem bekannten Weinbaugebiet Bordelais bei Bordeaux sehr viele Pestizide spritzen und dadurch auch die Menschen dort krank werden. Jedenfalls war, man kennt diese Geschichten von z.B. Monsanto und ähnlich menschenfreundlichen Konzernen, die hohe Rate an Krebserkrankungen auffällig. Egal, der Winzerverband Conseil Interprofessionnel du Vin de Bordeaux (CIVB) sah das Ansehen seiner Weine geschädigt und verklagte die kleine Bürgerinitiative, die von der Anti-Pestizid-Aktivistin Valérie Murateine vertreten wurde. Die Kläger vertraten die Auffassung, dass die Konzentrationen der ermittelten Pestizid-Rückstände in den Weinen sehr niedrig und vollkommen legal seien. Der Casus Knacksus ist nur, dass es keine Grenzwerte für Giftstoffe gibt. Nicht für Wein. Wären dieselben Werte im Wassser gefunden worden, hätte es in Frankreich nicht aus dem Wasserhahn kommen dürfen.

2014 geschah folgendes: in Villeneuve-de-Blaye verlegte eine Schullehrerin den Unterricht aufgrund des warmen Tages nach draußen. Gesangsunterricht auf dem Pausenhof. Der währte jedoch nicht lange. 28 verschiedene Substanzen,
die wegen ihrer teils
krebserregenden, teils
hormonellen oder erbgut-
verändernden Wirkungen
besonders gefährlich sind
Der Gesang blieb förmlich in den jungen Kehlen stecken. Schwindelattacken, Kopfschmerzen, rote Augen und Pusteln auf der Haut, Kotzerei. Irgendwas war in der Luft. Und es kam direkt von nebenan. Hinterm Zaun begann der Weinberg. Von dort kamen sie, die toxischen Pflanzenschutzmittel, Fungizide – welche die Reben vor Pilzkrankheiten schützen sollen. Die Abdrift hat die singenden Schüler auf dem Pausenhof erwischt. Das Drama begann und 6 Jahre später mussten 2 Weingüter laut Gerichtsurteil eine Geldstrafe bezahlen. Die Stimmung zwischen den betroffenen Bürgern und den Winzern war angespannt.

Nun ging es erneut rund. Die erregte Bürgerinitiative, Valérie Murateine vorneweg, ließ 20 Bordeaux-Weine testen. Man fand '28 verschiedene Substanzen, die wegen ihrer teils krebserregenden, teils hormonellen oder erbgutverändernden Wirkungen besonders gefährlich sind' (Quelle: taz).

Doch die von den Bürgern und Valérie Murat an den Pranger gestellten Winzer bekamen Recht. Das Gericht war der Ansicht, das die 'Weinrebellin' schuld daran hatte, dass ihre Veröffentlichung der Petizid-Rückstände dem Ansehen der Bordeaux-Weine schwer geschadet habe. Valérie Murat war von der Zivilkammer in Libourne wegen Verleumdung zu einer Geldstrafe von 125.000 Euro verurteilt worden.

Aber es geht nicht nur um den guten Ruf des Bordeaux. Es geht auch um das Umweltlabel 'Haute Valeur Environnementale' (HVE). Natürlich sind alle 20 Weine mitsamt ihrer Pestizide HVE-Zertifiziert. Nicht nur in Anbetracht der Lage, das ein Bordeaux gern auch mal einen dreistelligen Betrag kostet, ein Skandal. Aber ein Alltäglicher. Fairer Weise muss man zugeben, dass der Pestizideinsatz in Weinbaugebieten Usus ist, nicht nur im Bordeaux.