ms - mai 2023

Weingut Amlinger & Sohn

Weingut-Check // News aus dem Weinglas

Tolles Wetter, nette Gesellschaft, Moselschleife, gutes Essen und vor allem: echt leckerer Wein. Was will man mehr von einem Wochenendausflug an die Mosel, zum steilsten Weinberg Europas, dem Calmont, auf dem auch ein Riesling vom Weingut Amlinger wächst?

Und die können Wein, in jedem Fall. Wir haben das 'Romantische Wochenende' gebucht, das wir nach unserer Ankunft im Weingut zunächst mit einem Begrüßungstropfen in der Vinothek beginnen. Winzersohn Christian schenkt uns einen trockenen Chardonnay ein, schmeckt mir gut, evtl. ein wenig zu saftig, aber als Begrüßungsdrink top.

Weingut Amlinger & Sohn

Nach der kleinen Entspannungs- und Begrüßungsphase in der schicken Lounge gehen wir erst mal hinauf in unser Zimmer, wo die versprochene Weinflasche erst mal fehlt, 'not so romantic'.
Romantischer hingegen der Ausblick auf die Mosel und ein erster Spaziergang durch das kleine Örtchen Neef. Amlinger scheint allgegenwärtig: Ferienwohnungen, ein kleiner Garten/Liegewiese sowie die sehr nützlichen Wein-Automaten, die man an der ein oder anderen Stelle im Dorf vorfindet und deren Flaschen-Vorrat Leben retten kann, wenn man in den Abendstunden auszutrocknen droht oder wenn die Bürgersteige in der Nebensaison hochgeklappt sind.

Am nächsten Tag erklimmen wir den Klettersteig im Calmont und können den Weinberg richtig 'spüren'. In dieser Steillage Trauben zu ernten ist mit Sicherheit kein Kindergeburtstag. Am Abend bei der Verkostung erfahren wir, dass das Ernten der Trauben von einem Hektar in Steillage 1200 Arbeitsstunden benötigt. Dafür steht der Riesling mit 13,90 € wirklich in einem guten Preis-Leistungsverhältnis.

Moselschleife bei Bremm am Calmont

Nicht so toll ist die Verkostung selbst. Sie findet in zwei Räumen statt. Aber auch ein Amlinger-Sohn kann nicht an zwei Orten gleichzeitig sein und stellt sich also auf die Schwelle zwischen den beiden Räumen, hält seinen Vortrag quasi im Durchgang und wirkt dort weitgehend deplaziert. Ein unprofessionelle
Verkostung
Mal spricht er in den einen, mal in den anderen Raum, was dazu führt, dass große Teile seines vorgetragenen Weinwissens einfach nicht zu verstehen sind. Vielleicht hätte man die Gruppe aufteilen können, eine früher, eine später, eine vielleicht am nächsten Tag oder sonstwie. Weiterhin erscheint die dreistündige Veranstaltung endlos, da zwischendurch alle Teilnehmer mit Wein versorgt werden müssen und der Chef für den Rundgang zu den Tischen einiges an Zeit benötigt.

Das hier hat eher den Charme einer Massenabfertigung, was definitiv einen Schatten auf die Verkostung wirft, vom äußerst drüschen Brot auf dem Tisch mal ganz abgesehen.

Aber es kommt noch besser. In einem Nebensatz erfahren wir, dass die 'Kellerführung mit Fassprobe des neuen Weins' für uns entfällt, da sie zu einem Zeitpunkt nach unserer Abreise angesetzt wird. Wir schauen uns verblüfft an. Leute, wir haben das gebucht! Wenn wir zunächst noch dachten, dass darüber mit uns in irgendeiner Weise gesprochen oder wahlweise Ersatz geschaffen wird, werden wir auch hier enttäuscht. Da kommt genau NICHTS. Absolutely not romantic, würde ich sagen. Das fällt unter den Tisch und fertig. Ok. Danke.

Spannend wird es nochmal bei der Abreise. Eine nette Dame stellt unser Weinpaket zusammen, für rund 85 € haben wir eingekauft. Hier erlaube ich mir den Hinweis, dass wir noch eine Flasche gut haben, schließlich war keine auf dem Zimmer. Ein unfiltrierter Biowein hatte schon zuvor mein Interesse geweckt. Ich schlage ihn vor, werde aber von der plötzlich auftauchenden Chefin des Hauses abgewiesen. Die charmante Dame gibt mir zu verstehen: 10,90 € sind zu viel, zu teuer. Einen günstigerer Wein für 6,90 € ist ok.
Ganz im Ernst, Freunde, ich überlege kurz, ob ich 4 € auf den Verkauftresen lege. Aber langsam ist es mir wirklich zu blöd und ich bin wirklich baff ob des sich nun in epischer Breite entfaltenden Unvermögens in Sachen Kundenmanagement. Empathie ist definitiv etwas anderes. Nicht kundenorientiert
& nicht empathisch
Also wenn ich schon die Leistung des gebuchten, höchst romantischen Wochenendes beschneiden muss, aus welchem Grund auch immer, dann drück' ich dem Kunden lieber noch eine zweite Flasche in die Hand, entschuldige mich für die kleine Unannehmlichkeit und höre nach, ob er ansonsten einen schönen Aufenthalt hatte und ob ich noch etwas für ihn tun kann. So geht das doch heute!

Einfach nur noch aufheiternd ist die Tatsache, dass die 'Kellerführung mit Fassprobe des neuen Weines' selbstredend auf der Rechnung steht. Und mit der naiven Arglosigkeit eines kleinen Kindes werden wir gefragt: War alles in Ordnung? Wenn ich darauf ehrlich antworten würde, wären wir erst am Abend wieder zu Hause. Sorry, aber da hab ich dann einfach keine Lust mehr...

FAZIT: Schade, dass hier nicht der Kunde, sondern ein Business-Gebaren, das man im letzten Jahrtausend wähnt, noch immer aktuell ist. So bleibt leider der Geschmack von pfälzischer Kleinkrämerei zurück und nicht von einem modernen Unternehmen, das seinen Habitus der neuen Zeit angepasst hat.

Übrigens: Auf Wunsch leite ich gern mal ein Seminar über Corporate Behaviour - aber nur in einem Raum, bitte.

News aus dem Weinglas - Logo

Weingut Amlinger & Sohn
› mehr über dieses Weingut